Was verdienen Flüchtlinge?

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WAS VERDIENEN FLÜCHTLINGE?

Österreich, ein Land mit Potenzial
zur menschenwürdigen Asylpolitik

Von Michaela Greil

WIEN/LINZ/AFGHANISTAN. Rund 17.000 Asylanträge werden jährlich bei Österreichs Anlaufstellen eingebracht, Tendenz steigend. Oft dauert es Jahre, bis eine Entscheidung der Behörden vorliegt. Für Asylwerbende werden Beschäftigungsprogramme angeboten, jedoch dürfen sie oftmals weder einen Deutschkurs belegen, noch ihren Beruf ausüben. Wie finanzieren sie ihr Leben in Österreich? Wie human ist Österreichs Flüchtlingspolitik wirklich? Und wo gibt es Potential zur Verbesserung?

Sie ist ein wichtiges und polarisierendes Thema, das scheinbar nie endet. In Österreich wird sie seit längerer Zeit heiß diskutiert und sorgt beinahe täglich für neuen Gesprächsstoff. Und für manche Menschen kann sie entweder eine (über-) lebensnotwendige Hilfe und Unterstützung sein, oder zur drastischen Verschlechterung einer ohnehin bereits bedrohlichen Situation beitragen. Die Rede ist von der Integrations- und Asylpolitik Österreichs. Am österreichweiten Langen Tag der Flucht Ende September wurde auf das Schicksal von Flüchtlingen aufmerksam gemacht.

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Mavis Kwarko informierte beim „Langen Tag der Flucht 2014“ über die Hintergründe, warum Menschen aus ihrer Heimat fliehen; Foto: Michaela Greil/MIG-Pictures e.U.

12.878 Asylanträge wurden bereits zwischen Jänner und August 2014 in Österreich gestellt. Fast ¾ der Antragstellenden sind männlich. Durchschnittlich jede/r sechste Antragstellende gab im Gesamtzeitraum der ersten acht Monate dieses Jahres als Staatsangehörigkeit „Afghanistan“ an. Unter den Top 15 aller angeführten Länder liegt Afghanistan damit auf Platz zwei (Stand: 08.09.2014, BM.I). Auf Platz eins liegt Syrien. Jede/r Vierte gibt dieses Land bei der Frage nach der Staatsangehörigkeit an. Es folgen an dritter Stelle die Russische Föderation und in weiterer Folge Somalia, Pakistan und der Irak.

Ein wenig anders sieht die Statistik bei den „unbegleiteten minderjährigen Asylwerbenden“ aus, bei jenen Minderjährigen, die in Österreich um Asyl ansuchen und nicht in Begleitung einer erwachsenen Person sind. Rund 96,4% dieser Menschen sind zwischen 14 und 18 Jahre alt. Aus Afghanistan flüchteten zwischen Jänner und August 2014 die meisten unbegleiteten Minderjährigen, gefolgt von Somalia und weit vor Syrien, Nigeria, Pakistan, Ägypten und dem Irak.

EIN LEBEN OHNE ANGST

WIEN, September 2014. Farid (24, richtiger Name ist der Redaktion bekannt) sitzt auf einer Parkbank und will sicher gehen, dass er bestimmt keine Schwierigkeiten mit der Polizei bekommt, wenn er sich zu einem Interview bereit erklärt. Erst dann erzählt er aus seinem Leben. Er stammt aus Kunduz, einer Stadt im Norden Afghanistans, wo er aufgewachsen ist. Er ist einer von 4.000 Menschen Afghanischer Herkunft, die im Jahr 2012 nach Österreich gekommen sind. Jemand aus der näheren Umgebung Farids hat für die Taliban gearbeitet. Farid kochte jeden Tag für zehn Personen, darunter auch Mitglieder der Terrorbewegung. Auch er sollte eines Tages zwangsrekrutiert werden. Weiters drohte ihm permanent die Festnahme durch die Polizei. Zwischen den Fronten stehend konnte er rechtzeitig fliehen. „Alles, was wir uns aufgebaut haben, wurde von den Taliban kaputt gemacht. Schlimm ist auch, dass die Frauen kaum mehr was alleine machen durften. Sie mussten immer in Begleitung eines Mannes unterwegs sein und wenn sie krank waren, durften die Frauen nur gemeinsam mit einem Mann zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen. Sie durften plötzlich nicht mehr in die Schule gehen“, sagt Farid. Wenn Farid von der Zeit unter den Taliban erzählt, wird sein Gesichtsausdruck sehr ernst. Er ist traurig und wütend darüber, was in seiner Heimat geschehen ist.

Heute ist Farid bereits fünf Jahre außerhalb Afghanistans. Der Weg führte ihn über den Iran und nach einem längeren Aufenthalt in Griechenland nach Österreich in die Steiermark. Zweieinhalb Jahre lebte er in einem großen Lager zusammen mit vielen anderen Flüchtlingen aus den verschiedensten Ländern. Nun ist er nach Wien gezogen. Hier lebt Farid mit einem Freund in einer kleinen Wohnung. Der Anfang in Österreich war schwer. Mittlerweile kann Farid jedoch gut mit seiner Vergangenheit umgehen und findet sich in Österreich zurecht. Er wirkt zufrieden und zumindest teilweise glücklich. Stolz holt er seinen vor kurzem verlängerten Fremdenpass im Scheckkarten-Format aus der Tasche, der ihn als „subsidiär Schutzberechtigten“ ausweist. Das sagt aus, dass sein Asylantrag zwar abgewiesen wurde, sein Leben oder seine Gesundheit jedoch im Herkunftsland bedroht wird. Farid ist weder Asylwerber, noch Asylberechtigter (Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), benötigt aber Schutz vor Abschiebung. Der Fremdenpass mit diesem „Status“ erlaubt ihm weiteren Aufenthalt in Österreich und ermöglicht ihm den Zugang zum Arbeitsmarkt.

Farid sucht aktiv nach einer festen Arbeitsstelle. Die Tatsache, dass er gelernter Schneider ist und diesen Beruf hier in Österreich nicht ausüben kann, macht die Suche nicht gerade leichter. „Irgendwas in einer Bäckerei oder in einem Hotel wäre gut“, sagt Farid auf die Frage, welche Tätigkeiten er sich vorstellen kann. Im Moment bekommt er im Monat € 500,- Sozialhilfe ausbezahlt. „Das ist nicht viel, aber wenn ich nicht rauche und beim Essen sparsam bin, geht das schon. Und vielleicht kann ich ja bald einen Deutschkurs machen.“ Farid ist motiviert. Er will nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen und nichts tun. Er will arbeiten, seinen Beitrag in der Gesellschaft leisten und auf eigenen Beinen stehen. Aber vor allem will Farid eines: Ein Leben in Frieden und ohne Angst. Was bleibt, ist die Sehnsucht nach seiner Familie. Farids Vater ist vor einem Jahr an Krebs gestorben. Seither ist er allein mit seiner Mutter und seinen drei jüngeren Geschwistern. Seine Mutter ist auch an Krebs erkrankt und lebt mit ihren beiden Töchtern (8, 10) immer noch in Kunduz. Von seinem jüngeren Bruder weiß Farid kaum noch etwas. „Er ist jetzt 18, aber ich weiß nicht, wo er ist.“ Mit seiner Mutter kann Farid alle drei Monate ein bis zweimal telefonieren. „Das Schlimmste ist das Alleine-sein.“

Über die Möglichkeit, seine Familie nach Österreich zu holen, hat Farid bereits nachgedacht. Er musste erstmal seinen eigenen Weg in ein friedlicheres (Über-)Leben finden. Jetzt muss er Arbeit finden. Erst dann kann er mit Hilfe der österreichischen Behörden versuchen, seine Familie zu sich zu holen. Eine Familienzusammenführung ist grundsätzlich mit finanziellem Aufwand verbunden. Auch wenn der Staat einen Teil der Kosten übernimmt, so können es sich viele nicht leisten. Weiters wird es schwierig, wenn kaum Dokumente vorhanden sind. „Jeder Angehörige muss einen Antrag bei einer Österreichischen Botschaft einreichen, sämtliche Dokumente im Original bei den ÖB´s vorweisen (Reisepass, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Passfoto) sowie eine Kopie des Positiv-Bescheides der Bezugsperson in Österreich.“, erklärt Claudia Praher, Integrationsbeauftragte des OÖ Roten Kreuzes. Farid erzählt: „Ich habe einen Freund aus Pakistan, der ist bereits seit drei Jahren in Österreich und hat immer noch keine Papiere. Das ist schlimm.“

SPRACHE ALS BARRIERE

Beim Ausfüllen der einzelnen deutschsprachigen Anträge (Asyl, Fremdenpass etc.) brauchte Farid Hilfe. Könnte er Deutsch fließend sprechen und auch lesen und schreiben, dann wäre vieles einfacher, ist Farid überzeugt. Er spricht sechs Sprachen fließend: Urdu (Pakistan), Hindi (Indien), Iranisch, Puschtu und Dari (Afghanistan), sowie Griechisch. Farid versteht das gesprochene Deutsch und kann es selbst auch sprechen. Jedoch kann er weder lesen, noch schreiben in deutscher Sprache.

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Fluchtbewegungen weltweit; Symbolbild: Michaela Greil/MIG-Pictures e.U.

„Mit Englisch kommt man in Österreich gut durch.“, stellt Sedina Dolic, Sozialarbeiterin im Oberösterreichischen Flüchtlingswesen, fest. „Afghanistan ist ein Thema, wo ich persönlich sehr traurig bin. Es gibt sehr viele, die gar nicht lesen und schreiben können. Sie sind genauso lange im Asylverfahren wie alle anderen. Dass gerade diese Gruppe, die wahrscheinlich bleibt und wo man weiß, die Lage ist sehr schwer dort, dass sich hier gar nichts tut im Sinne der Alphabetisierung. Natürlich gibt es Kurse. Diese sind jedoch nicht geeignet für erwachsene Personen, die traumatisiert sind, die wirklich ein schweres Leben hinter sich haben. Die sollen dann mit anderen zusammen sitzen und lernen, während sie ihr Schicksal aufarbeiten müssen? Das ist sehr schwierig. Man bräuchte hier eine andere Form. Natürlich brauchen diese Menschen, wie alle anderen auch, Bildung, um Anschluss zu finden in der Gesellschaft. Ich nenne jetzt Afghanistan als Beispiel, es gibt bestimmt einige andere Gegenden, wo das auch zutrifft. Wie finden diese Menschen Zugang? Wer nimmt diese Menschen auf, die nicht lesen und schreiben können – auch, wenn sie gut Deutsch sprechen? Man ist in Europa davon abhängig, wie gut man lesen und schreiben kann. Von vielen Menschen aus Afghanistan weiß ich, dass sie unglaublich motiviert sind, in Österreich zu lernen und zu arbeiten, aber es aufgrund dieser Barriere nicht schaffen, hier mitzuhalten. Sie kämpfen auch emotional sehr“, so Dolic.

Menschen, deren Länder in irgendeiner Form Verbindungen zu Europa haben, sei es über den Kolonialismus oder in anderer Form, fällt es leichter, in deutscher Sprache lesen und schreiben zu lernen. Denn sie haben zumeist bereits die dafür notwendigen Schriftzeichen gelernt. Für diese Menschen finden sich leichter Ausbildungsplätze.

QUALIFIKATIONEN UND IHRE ANERKENNUNG IN ÖSTERREICH

Vielfach ist die fehlende Anerkennung von vorhandenen Ausbildungen ein Thema. „Diese Anerkennung oder auch Nostrifizierung ist nicht so leicht“, stellt Sedina Dolic fest. „Es gibt Möglichkeiten, zu zeigen, was man kann. Vielen bleiben sie jedoch verwehrt. Es gibt sehr viele, die eine Mittelschule oder eine höhere Schule abgeschlossen haben, aber viele haben keine Zeugnisse mit. Flucht heißt ja oft: schnell weg. Wenn sie welche haben, ist es eine Geldfrage. Man muss alle Dokumente übersetzen und von einem beeidigten Dolmetscher bestätigen lassen. Das kostet viel Geld. Viele verzichten darauf, weil sie in diesem Moment ohnehin nicht arbeiten dürfen. Es ist alleine der Nostrifizierungsvorgang kompliziert. Die Schulsysteme der verschiedenen Länder werden verglichen. Meistens werden von der Nostrifizierungsstelle noch Zusatzprüfungen verlangt, damit das in Österreich anerkannt wird.“ Sedina Dolic spricht aus Erfahrung, ist sie doch nach dem Maschinenbau-Studium in Bosnien nach Österreich gekommen und konnte bei Ausbruch des Krieges in den 1990er Jahren nicht mehr zurück in ihre Heimat. Sie hatte Glück. Damals gab es zwischen Österreich und dem heutigen Ex-Jugoslawien ein Abkommen, das Dolic den freien Zugang zu den österreichischen Universitäten ermöglicht hat.

EIN AUSKOMMEN OHNE EINKOMMEN

„Asylsuchende und Flüchtlinge ‚verdienen‘ nichts, d. h. sie haben kein Einkommen. AsylwerberInnen (Personen, die den Asylantrag gestellt haben) erhalten für die Dauer ihres Verfahrens und anerkannte Flüchtlinge für die ersten vier Monate die ‚Grundversorgung‘.“ Erklärt Dr. Bernhard Schneider, Leiter der Abteilung für Recht und Migration des Österreichischen Roten Kreuzes. „Personen, die in Wien Anspruch auf Grundversorgungsleistungen haben, können Wohnplätze in betreuten Unterkünften in Anspruch nehmen oder private Wohnmöglichkeiten nützen. Privat wohnende BezieherInnen der Grundversorgung erhalten Förderungen für Verpflegung und Miete“, so Schneider.

Dass Asylwerbende während des Verfahrens vom regulären Arbeitsmarkt ausgenommen sind, ist kein Geheimnis. Ebenso die Tatsache, dass sie sich laut österreichischem Gesetz nicht selbst erhalten dürfen, auch wenn sie es wollten. „Es ist schwierig, wenn die Menschen keine Arbeitsbewilligung bekommen und die Entscheidungen im Schnitt zwei bis acht Jahre dauern. Das ist eine lange Zeit und ich glaube nicht, dass das für die Gesellschaft gut ist und für die einzelnen Menschen schon gar nicht. Sie werden oft psychisch krank und irgendwann arbeitsunfähig, wenn sie so lange nicht arbeiten dürfen. Man sagt nach drei Jahren: okay, wenn sie integriert sind. Aber wie kann man sich integrieren? Vielleicht durch schnellere Entscheidungen. Es ist schwierig.“ Sagt Sedina Dolic über den Stellenwert der Arbeit. „Viele der gesetzlichen Regelungen sind aus humanitärer Sicht verbesserungswürdig“, bestätigt Schneider. Verschiedene Hilfsorganisationen setzen sich für eine Weiterentwicklung der Gesetze bei den zuständigen Ministerien ein. Schneider weist in einem Interview auch auf die wichtige Funktion der österreichischen Medien bei dieser Thematik hin, da Sensibilisierungsarbeit über die unterschiedlichsten Kanäle geschieht.


INFOBLOCK:

GRUNDVERSORGUNGSLEISTUNGEN IM ÜBERBLICK (Quelle: ÖRK)

Für Personen in betreuten Unterkünften

    • Verpflegung/Lebensmittel oder Verpflegungsgeld im Wert von € 5,- pro Tag
    • € 40,- Taschengeld pro Monat

Für privat wohnende Personen

  • Mietzuschuss für Einzelpersonen von max. € 120,- pro Monat
  • Mietzuschuss für Familien von max. € 240,- pro Monat
  • Verpflegungsgeld für Erwachsene von max. € 200,- pro Person und Monat
  • Verpflegungsgeld für Minderjährige von max. € 90,- pro Person und Monat

Zusätzliche Leistungen unabhängig von der Wohnform

  • Bekleidungshilfe: nach Bedarf, max. € 150,- pro Jahr
  • Schulbedarf für SchülerInnen: nach Bedarf, max. € 200,- pro Schuljahr
  • Krankenversicherung
  • medizinische Leistungen
  • Information, Beratung und Betreuung
  • Übernahme der Fahrtkosten bei behördlichen Ladungen und Überstellungen

 

FÜNF ANLAUFSTELLEN FÜR HILFE
VOR, WÄHREND ODER NACH DEM LAUFENDEN ASYLVERFAHREN:

  • Caritas Österreich (und in den Bundesländern)
  • Netzwerk Asylanwalt
  • Rotes Kreuz Österreich (und in den Bundesländern)
  • SOS Menschenrechte
  • Volkshilfe

 


NACHGEFRAGT:

WAS BRAUCHT ES JETZT FÜR EINE HUMANE ASYLPOLITIK?

Farid: „Zu Hause sitzen und nur zu essen und zu schlafen, ist schlimm. Ich bin jung, ich will arbeiten und ich will längere Zeit hier in Österreich bleiben. Es dauert, bis ich eine Arbeit gefunden habe, aber ich gebe nicht auf. Die € 500,- Sozialhilfe reichen für eine kleine Wohnung und für das Essen. Die Hilfsorganisationen helfen mir bei der Suche nach Arbeit. Das ist gut. Hier muss ich auch keine Angst vor der Polizei haben. Das war in Griechenland anders.

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Hilfsorganisationen unterstützen Flüchtlinge weltweit; Symbolbild: Michaela Greil/MIG-Pictures e.U.

In Österreich wird ausgewählt, wer bleiben darf und zu Papieren kommt. Wenn jemand kein guter Mensch ist, anderen wehtut, Probleme macht und vieles zerstört oder nicht arbeiten will, muss er gehen. Das finde ich gut. Ich bin mir nicht sicher, wem ich vertrauen kann.

Die Menschen kommen aus vielen verschiedenen Ländern nach Österreich. Sie sind Arabisch, Tschetschenisch, Pakistanisch oder aus dem Irak. Alle guten Menschen, die nicht nur herumsitzen, sondern arbeiten und etwas für Österreich tun wollen, sollen bleiben dürfen. Egal, woher sie kommen.“

Sedina Dolic: „Österreich erlebe ich als ein Land, das sich weiterentwickelt und nicht stehen bleibt. Es hat sehr viel Potential. Es könnte ein Beispielland für viele auf der Welt sein. Das größte Problem, das ich sehe, ist das fehlende Netzwerk wenn Menschen nach Österreich kommen – ohne Familie und Freunde. Ein Flüchtling verdient einen fairen Umgang, Respekt und menschlich aufgenommen zu werden – im Sinne vom Wissen, dass kein Mensch seine Heimat ohne Grund verlässt. Und ein Flüchtling verdient es auch, gehört zu werden, was oft nicht der Fall ist. In der Vergangenheit waren in den Medien oft Migration und Integration das Thema, aber es sind selten die Menschen, die eingewandert oder nach Österreich geflüchtet sind, gefragt worden, was sie darüber denken oder was sie brauchen.

Flüchtlinge wollen einfach normal behandelt werden. Das bedeutet, auch Zugang zum Arbeitsmarkt zu haben. Einen Flüchtling über mehrere Jahre hier in Österreich zu halten, ohne Zugang zum Arbeitsmarkt, ist für mich unmenschlich. Auch, wenn es nur vorübergehend für die Dauer des Verfahrens ist. Jeder Mensch will für sich selbst sorgen. Es gibt einem das Selbstwertgefühl, das wir alle brauchen und das Gefühl, gleich zu sein.“

Dr. Bernhard Schneider: „Wichtig ist die menschenwürdige Unterbringung. Aus Sicht des Roten Kreuzes ist es traurig, dass über die Unterbringung von Flüchtlingen in Zeltlagern in Österreich überhaupt diskutiert wird. In einem reichen Land wie Österreich müsste die Situation bewältigbar sein: in den 90er Jahren hat Österreich 90.000 BosnierInnen aufgenommen, von denen 70.000 im Land geblieben sind.“

Claudia Praher: „Meiner Meinung nach ein rasches Asylverfahren (Aktuell: Syrien) sowie kostenlose Rechtsberatung.“

WAS BRAUCHT ES LANGFRISTIG FÜR EINE HUMANE ASYLPOLITIK?

Sedina Dolic: „Was ich bisher über die Bedürfnisse der Flüchtlinge gesagt habe, gilt natürlich auch auf lange Sicht. Nichtstun ist für sie schlimmer, als wenig Geld zu haben. Die Öffnung des Zugangs zum Arbeitsmarkt ist ein Grundsatz für ein menschenwürdiges Leben.

Weiters kann eine humane Asylpolitik hier in Österreich nicht ohne die Politik in den Herkunftsländern funktionieren.

Außerdem wünsche ich mir eine ehrliche und humane Politik. Ehrlich heißt für mich, zu zeigen, dass man menschlich ist als Gesellschaft. Man muss gar nicht so viel darüber reden. Es einfach zu tun, würde schon ausreichen.“

Dr. Bernhard Schneider: „Auf lange Sicht gesehen, muss es für Flüchtlinge legale Wege geben, um in die EU einzureisen, damit sie überhaupt die Chance haben, einen Antrag auf Asyl zu stellen. Die derzeitige EU-Politik der Illegalisierung spielt kriminellen Netzwerken in die Hand, die damit Geld verdienen, unterstützt jedoch zu wenig die verwundbaren MigrantInnen.

Das Asylverfahren sollte fair und nach einer angemessenen Frist beendet werden. Dafür braucht es ein EU-weit einheitliches Asylwesen und eine einheitliche Instanz. Ein faires Asylverfahren ist dann gegeben, wenn man von einer hohen Qualität ausgehen kann, in welchem genügend Dolmetscher vorhanden sind, damit die Asylantragsstellenden dem Verfahren folgen und auch ihre Anliegen angemessen einbringen können.

Wichtig ist auch die Verwendung von aktuellen Herkunftsländerinformationen, wie sie zum Beispiel ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation), welches beim ÖRK angesiedelt ist, recherchiert. Eine verlässliche Information über die Lage in den Herkunftsländern von Asylwerbenden ist sehr wichtig, denn sie bildet die Basis für die Entscheidung, ob in Österreich internationaler Schutz gewährt wird. Dazu dokumentiert ACCORD laufend Entwicklungen in Herkunftsländern unter dem Gesichtspunkt der Genfer Flüchtlingskonvention und anderer Rechtsinstrumente zum internationalen Schutz.

Und natürlich ist nach positivem Asylbescheid ein angemessenes System der Integration wichtig. Bei negativem Bescheid sollte es eine menschenwürdige Rückkehr der Asylantragstellenden in ihr Heimatland geben, in welchem ihnen eine angemessene Wiederintegration ermöglicht wird.“

Claudia Praher: „Meiner Meinung nach eine Aufklärung in der österreichischen Bevölkerung, rasche Integration der Asylwerbenden, umgehender Zugang zum Arbeitsmarkt, sowie eine kostenlose Rechtsberatung.“

FAZIT:

Die finanzielle Versorgung ist für die Einzelnen zwar nicht viel, aber es ist ausreichend für Asylwerbende, die für jede kleinste Unterstützung dankbar sind.

Wo eine dringende und vor allem langfristige Verbesserung notwendig ist, sind einerseits die Gesetze. Andererseits ist es der Umgang mit den nach Österreich kommenden Menschen, der sich ändern muss. Es braucht einen respektvollen Umgang mit jenen Menschen, die vielen Hilfsorganisationen, Behörden, aber auch vielen Menschen aus der Bevölkerung hilfesuchend gegenüber stehen und nichts anderes brauchen, als die Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse: Respekt und Verständnis, Nahrung, einen Platz zum Schlafen und Leben, eine Familie, Freunde, Zuneigung, Arbeit und ein angstfreies Leben in Frieden.

Österreich ist auf dem Weg, ein gastfreundlicheres Land zu werden. Diskussionen darüber sind der erste Schritt. Der Weg ist jedoch noch lang und es wird ein Zusammenarbeiten von Politik, Behörden, Hilfsorganisationen, der gesamten Bevölkerung und der Hilfesuchenden brauchen, um das Ziel – ein friedliches Miteinander von verschiedenen Kulturen und ein gemeinsames Leben in diesem Land – zu erreichen.

Österreich kann die Situation langfristig nur in Zusammenarbeit mit der gesamten Europäischen Union bewältigen. Das heißt, es braucht ebenso ein Umdenken auf europäischer Ebene.

Jede/r Einzelne in Österreich ist gefordert, damit für Menschen wie Farid oder seinen pakistanischen Freund in diesem Land ein angstfreies und finanzierbares Leben möglich wird. Denn das ist es, was Flüchtlinge verdienen. Bisher ist es ein Traum vom Leben in Frieden. In Zukunft könnte der Traum zur Realität werden.

10 Kommentare zu „Was verdienen Flüchtlinge?

  1. Auszeichnung: „Journalismuspreis von unten 2014“ für tiefgründige und respektvolle Armutsberichterstattung – Anerkennungspreis Kategorie ONLINE/Wien (s. Blogbeitrag) für den Artikel „Was verdienen Flüchtlinge?“
    => am 15. Dezember 2014 von der Armutskonferenz in Wien überreicht.

    1. Weiters wurde dieses News-Feed von folgenden Landesverbänden auf die jeweilige Website übernommen (aktuell noch an erster Stelle der News 😉 ):
      => Burgenland: http://www.roteskreuz.at/bgl/migration-suchdienst
      => Kärnten: http://www.roteskreuz.at/knt/migration-suchdienst
      => Niederösterreich: http://www.roteskreuz.at/noe/migration-suchdienst
      => Salzburg: http://www.roteskreuz.at/sbg/migration-suchdienst
      => Vorarlberg: http://www.roteskreuz.at/vbg/migration-suchdienst

      Vielen Dank!

  2. Facebook-Status 21.10.2014, 15:50 Uhr; 🙂 wunderbar;

    „Was verdienen Flüchtlinge?“ – Gastbeitrag auf der ÖRK-Website!!!
    DANKE!!! 🙂 🙂 🙂

    Mein Online-Artikel http://michaelagreil.wordpress.com/2014/10/07/was-verdienen-fluchtlinge/ wurde offiziell auf der Website von @Österreichisches Rotes Kreuz als „Gastbeitrag“ angekündigt und verlinkt!
    (Newseintrag auf der Migrationsseite – Permalink: http://www.roteskreuz.at/site/newsportal/aktuelles-aus-dem-roten-kreuz/oesterreichisches-rotes-kreuz/thema-migration/)

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